Tutory – Tolles Werkzeug für Arbeitsblätter, aber nicht ohne Schwächen

„tutory ist ein Online-Editor und Autorentool, das speziell auf die Arbeit mit offenen Lehr- und Lernmaterialien zugeschnitten ist. Lehrende können mit tutory schnell professionelle Materialien erstellen, individualisieren, organisieren und anderen zur Verfügung stellen. Auch die komplexe Handhabung der Lizenzvergabe bei offenen Lehr- und Lernmaterialien wird mit dem Editor vereinfacht.“ (Quelle: Tutory Presse)

Tutory macht als Autorenwerkzeug zum einfachen Erstellen von Arbeitsblättern einen tollen ersten Eindruck. Beim Ausprobieren und Benutzen hatte ich schnell einige „Wow“-Momente, gleichzeitig aber stoße ich an so manchen Stellen auf potentielle große Alltagshürden. Weil mich die Plattform seit ein paar Wochen recht beschäftigt, soll dieser Blog-Eintrag helfen, meine Gedanken zu sortieren und Euch die Plattform gleichzeitig ein wenig vorzustellen.

Die Bedienung

Die Anmeldung geht total schnell und man kann sofort loslegen, eigene Arbeitsblätter zu erstellen. Einen guten Zugang zum Editor bieten die vielen Beispiele und Dokumentvorlagen, die man gleich übernehmen und bearbeiten kann.

Auch wenn man ein leeres Dokument öffnet, weiß man gleich, wie der Editor bedient wird. In der linken Spalte findet man alle „Elemente“, wie Textfelder, Kästen, Aufgabenblöcke oder andere Dinge, die man für sein Arbeitsblatt brauchen könnte. Mit Hilfe eines Rasters kann man die Elemente gut und sauber platzieren, außerdem sieht das Arbeitsblatt durch die Vor-Formatierung von Überschriften, Texten und Tabellen fast automatisch sehr professionell aus. Mit einem Klick kann das Werk als PDF-Datei gespeichert, in eine Lernplattform eingebunden oder ausgedruckt werden.

Verschiedene Inhaltselemente zum Strukturieren des Arbeitsblattes

Tolle Funktionen, passgenau für Arbeitsblätter

Eine absolute Stärke von Tutory, die mich sofort begeistert hat und immer noch echt „vom Hocker haut“, ist die einfache Möglichkeit, Elemente einzufügen, die typisch für die Schule sind: Zuordnungs- und Lückentextaufgaben erhalten automatisch Lücken, die Reihenfolge von Multiple-Choice-Aufgaben kann zufällig generiert werden und auch Merk- und Hinweissätze lassen sich einfach mit einem schönen Symbol und Rahmen versehen. Sogar Quellentexte werden optisch abgehoben und mehrspaltig mit automatischer Zeilennummerierung angezeigt – wow!

Platziert man „Aufgaben“ auf dem Arbeitsblatt, werden diese automatisch durchnummieriert (wobei sich die Nummerierung beim Verschieben von Aufgaben automatisch anpasst) und Maximalpunkte bei Bedarf sogar von alleine addiert.

Besonders gefallen hat mir auch, wie einfach sich Karo-Raster, Linien in verschiedenen Abständen und sogar Musik-Zeilen einfügen und in der Größe ganz beliebig anpassen lassen. Wieso haben andere Texteditoren sowas nicht schon lange?! So schnell und einfach einfügen kann man solche Elemente nirgends!

Karos, Linien und Aufgaben sind schnell eingebaut

Auch Felder für Punkte oder Elternunterschriften sowie QR-Codes lassen sich ganz einfach und ohne technische Kenntnisse einfügen.

Rechtssicher arbeiten leicht gemacht

Eine weitere tolle Tutory-Funktion ist das einfache Finden und Einfügen von lizenzrechtlich einwandfreien Bildern. Die Bildersuche durchsucht gleich mehrere Datenbanken wie Pixabay, Flickr und Andere nach Bildern, welche sich einfach in das eigene Arbeitsblatt ziehen lassen – Quellenangabe inklusive.
So ist man nicht nur beim Erstellen für eigene Zwecke auf der sicheren Seite, sondern kann das Arbeitsblatt auch ohne Bedenken weitergeben.

Ganzes Werk oder Abschnitte als OER freigeben

Mit dem Tutory Editor kann das Arbeitsblatt oder auch einzelne Abschnitte daraus einfach als Open Educational Resources für andere Tutory-Nutzer freigegeben werden. Die entsprechende CC-Lizenz vergibt man mit wenigen Klicks, genauso einfach lassen sich Inhalte anderer Autoren in das eigene Dokument einfügen.

Schneller Support via Twitter

Beim Ausprobieren des eingebauten LaTeX-Editors ist mir aufgefallen, dass der Editor eine Formel nicht ganz so anzeigte wie ich es mir vorstellte. Ich fragte via Twitter bei @tutoryde nach und erhielt prompt eine hilfreiche Antwort. Das Tutory-Team scheint der Kontakt zu den Usern wichtig, Anregungen werden ernst genommen.

Bausteine zu starr, um ganz individuell zu gestalten

Beim Gestalten eines Arbeitsblattes stieß ich bisher trotz der leicht zugänglichen Elemente auch schnell an Grenzen. Ich weiß nicht, wie man die Spaltenbreite oder Zeilenhöhe in Tabellen einzeln anpassen oder einen Text um ein Bild herum fließen lassen kann. Für die Schriftgröße gibt es drei Stufen, die sich auf das ganze Dokument auswirken. Zwischenstufen oder eine genaue Einstellung der Größe sind nicht möglich.
Grundlegende Dokument-Eigenschaften wie Seitenränder, Kopf- und Fußzeilen können Benutzer der Gratis-Version nicht anpassen, hierzu ist ein kostenpflichtiges Abonnement des Dienstes nötig.

Fehlende iPad-Unterstützung

Ein Punkt, der für mich absolut nicht schwer wiegt, aber heutzutage nicht unerwähnt bleiben soll, ist der fehlende Support für das Editieren am iPad. Zwar lässt sich der Editor aufrufen und Texte können geändert werden, aber Elemente können nicht verschoben oder anderweitig vernünftig bearbeitet werden. Hier muss man zurück an den „richtigen“ Computer.

Noch ein Speicherort für meine Dateien??

Für meinen Unterricht brauche ich nicht nur Arbeitsblätter, sondern auch Dateien in Form von Videos, Tondateien, Präsentationen und sonstigem Kram. Während ich die Dateien für jede Unterrichtsstunde oder Thema in einem jeweiligen Ordner ablegen kann, entsteht mit Tutory ein „Nebenschauplatz“ in Form eines zweiten Speicherortes. Lege ich dort eine parallele Ordnerstruktur an, speichere die Direkt-URL als Textdatei im Ordner oder überlege ich mir irgendein Tag-System? So oder so, zusätzliche Arbeit für diesen einen Typ Lernmaterial.

Teuer im Vergleich zu Office 365

Den Tutory-Editor kann man kostenlos nutzen und dabei unendlich viele öffentliche Arbeitsblätter anlegen, zwei Stück kann man privat – also für andere Nutzer nicht sichtbar – speichern. Im jährlichen Abonnement, das ab dem nächsten Schuljahr mit 89,99 € zu Buche schlägt (im Moment gibt es ein Eröffnungsangebot für 59,99 €), kann man unendlich viele Dokumente privat erstellen und kann Seitenränder, Kopf- und Fußzeilen individuell anpassen.

Zum Vergleich: Office 365 für Lehrkräfte kostet umgerechnet 20 € pro Jahr, enthält aber neben Word auch noch PowerPoint, Excel und 1 TB Cloud-Speicherplatz.
Ich verstehe natürlich, dass die Tutory-Mannschaft von etwas leben muss und sie ein tolles Produkt entwickelt, jedoch sind knapp 70 € Unterschied pro Jahr für die Textverarbeitung allein eine stolze Hausnummer.

Mein Fazit

Quelle: CC0 Ramdlon

Tutory ist ein einfacher, zugänglicher und vielversprechender Arbeitsblatt-Editor, der mit einer Menge an wirklich durchdachten und auf die Bedürfnisse einer Lehrkraft abgestimmten Funktionen beeindrucken kann. Der Editor macht Spaß und es können recht mühelos professionell gestaltete Arbeitsblätter erstellt werden.
Die Nachteile, dabei insbesondere der zweite Speicherort und der sehr hohe Preis im Vergleich zu Office 365 (was ich wegen meines Bedarfs an PowerPoint und Excel ja nicht abbestellen kann), überwiegen für mich ganz persönlich.

Meine Arbeitsblätter kommen auch in der nahen Zukunft aus Word – noch und leider. Für Kolleginnen und Kollegen, die aber nicht ganz so geübt sind im Erstellen von Arbeitsblättern oder einfach nach einem Werkzeug suchen, mit dem sie schnell anschauliche Arbeitsblätter zusammenbasteln wollen, ist Tutory sicherlich eine tolle Anlaufstelle. Und immerhin sind Berufseinsteiger ja auch die Zielgruppe, die Tutory wohl im Moment ins Auge fasst:

tutory richtet sich in einem ersten Schritt an Lehrende allgemeinbildender Schulen, insbesondere an Referendare und Berufseinsteiger der Mittel- und Gymnasialstufe in gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächern.

Auch wenn es für mich im Alltag momentan nicht die Nummer Eins ist, werde ich Tutory aber auf jeden Fall im Auge behalten und bin gespannt, wie sich das Produkt weiterentwickeln wird! Und für alle, die das Tool noch nicht kennen: Unbedingt ausprobieren, kann sich lohnen!